Richard Goetz (Ulm 21.03.1874 - 10.12.1954 New York)

Richard Goetz, 1951; Foto: Nina Lee, © Time Inc. - Life Magazine
Richard Goetz, 1951; Foto: Nina Lee, © Time Inc. - Life Magazine

Tagebucheintrag Alfred Flechtheim (1913):

"Wenn ich reich wäre, wenn ich so viel Geld hätte, daß ich so leben könnte, wie ich möchte,
ich würde in Paris leben wie Uhde, wie Goetz, mittendrin im Leben, in der Kunst als großer Marchand-Amateur.[1]

Richard Goetz entstammt der Familie eines wohlhabenden  jüdischen Textilunternehmers in Ulm. Nach dem Studium der Malerei in Düsseldorf, Frankfurt und München und einem längeren Aufenthalt im niederländischen Aardenburg  zieht er um 1901 nach Paris. Dort schließt er sich dem um 1903 von Walter Bondy und Rudolf Levy gegründeten Künstlerkreis des Café du Dôme an.  Er ist weiterhin als Kunstmaler aktiv, verkauft ab und an auch eines seiner Werke, doch bald beginnt seine wahre Leidenschaft, das Sammeln von Kunst, in den Vordergrund zu treten. Im Kreis der Künstler und Literaten am Montparnasse entwickelt er sich zu einer der zentralen Figuren und ist eng mit Malern wie Picasso, Braque, Matisse, Rousseau, Derain und vielen anderen befreundet, die er regelmäßig auch finanziell durch Ankäufe oder Zuwendungen unterstützt. Seine Atelierwohnung befindet sich zu dieser Zeit in der rue du Cardinal-Lemoine.[2] Es ist davon auszugehen, dass bereits in den beiden Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zumindest eine Bekanntschaft zwischen Wüster und Götz besteht, da beide häufig im Café du Dôme anzutreffen sind.

 

In den 10 Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs trägt Goetz eine beachtliche Kunstsammlung zusammen, die mehr als 200 Werke umfasst. Neben bedeutenden Künstlern des 19. Jahrhunderts sind darin auch zahlreiche Zeitgenossen vertreten. Ob sich darunter auch eines oder mehrere Werke Wüsters befinden, wäre noch zu eruieren. Unmittelbar vor Kriegsbeginn verlässt auch Goetz Paris und muss seine wertvolle Sammlung dort zurücklassen.

 

In Deutschland angekommen wird er sofort zum Militärdienst einberufen und zumindest für einige Zeit in Nordfrankreich als Offizier im militärischen Kunstschutz eingesetzt. Dort soll er in den Wirren am Ende der Krieges und unter Missachtung offizieller Befehle dafür gesorgt haben, dass Kunstwerke aus den Museen von Douai, Lille und Valenciennes per Lastkahn an sichere Bergungsorte in Belgien verbracht wurden.[3]

 

Nach 1918 hält sich Goetz für einige Zeit wohl hauptsächlich in Berlin auf. Da auch Wüster 1919/1920 in Berlin oder auch zeitweilig in der Nähe Berlins wohnt,[4] ist es gut möglich, dass beide auch dort miteinander in Kontakt sind. 1921/22 kehrt Goetz nach Paris zurück. Dort erlebt er persönlich mit, wie seine 1921 auf der Grundlage eines Dekrets vom 23.10. 1919 beschlagnahmte Sammlung im Februar 1922 zugunsten des französischen Staats versteigert wird.

 

[Hier wird noch gebaut und gebastelt. Es fehlen: Sonderbund 1912 , Flechtheim... Ist RG identisch mit dem Besitzer des Modehauses RG in Berlin?]

 

 

[1] Vömel, Alex: Alfred Flechtheim, Kunsthändler und Verleger. In: Imprimatur,  Vol 5, 1967, S. 90; zit.n.  Shiner, Helen: Artistic Radicalism and Radical Conservatism: Moïssy Kogan and his German Patrons, 1903 - 192. Magisterarbeit Birmingham, Mai 1997, S. 67 [PDF]

[2] Im Musée national Picasso in Paris befindet sich ein Foto, das Richard Goetz zusammen mit dem Ehepaar Derain, Pablo Picasso und Fernande Olivier in seiner Wohnung zeigt. Entstanden ist es etwa 1907-1911. Aus Gründen des Copyrights kann ich dieses Foto hier leider nicht zeigen. Es ist aber online verfügbar.

[3] Vogue, 1.3.1957, S. 176; vgl. Kott, Christina: Préserver l'art de l'ennemi? Le patrimoine artistique en Belgique et en France occupées, 1914-1918, Brüssel 2006, S. 385 et passim sowie  Kott,Christina: Die deutsche Kunst- und Museumspolitik im besetzten Nordfrankreich im Ersten Weltkrieg zwischen Kunstraub, Kunstschutz, Propaganda und Wissenschaft. In: Kritische Berichte. Band 25, Nr. 2. , 1997,  S. 14 und besonders Fußnote 37. [PDF].

[4] siehe Lebenslauf in AK69

 

 

 

 


La Liberté, 05.02.1922
La Liberté, 05.02.1922

In zahlreichen Zeitungen wird die für den 23./24. Februar 1922 bei Drouot anberaumte Versteigerung der beschlagnahmten Sammlungen von Richard Goetz, Hans Wendland und Siegfried Hertz annonciert. Als Experte fungiert Georges Durand-Ruel jun. 

Dem Auktionskatalog ist zu entnehmen, dass aus der Sammlung Goetz dabei 208 Kunstwerke stammen. Darunter einige große Namen: Géricault, Pissarro, Renoir, Seurat, Sisley und andere. Fast die Hälfte der Werke aus der Sammlung Goetz werden jedoch ohne Nennung der Künstlernamen aufgerufen und lediglich der "École Moderne" zugeordnet.[1]

 

Der Autor des kurzen Auktionsberichtes in der Zeitschrift Kunst und Künstler merkt dazu an:


"Die Verfasser des Kataloges hatten, da es sich um deutschen Besitz handelte, alles getan, um die Kunstwerke zu diskreditieren. (...) Bemerkungen wie „zugeschrieben", „restauriert", „übermalt" oder „unbekannt" waren im Katalog recht häufig. Auch die Schätzungen, gemacht von dem Experten Georges Durand-Ruel d. J. waren manchmal auffallend niedrig. Einige Bilder wurden zu diesen Taxen von der Firma Durand-Ruel ersteigert."[2]

 

 

 

 

[1] Liquidation des biens Richard Goetz, Wendland et Siegfried Hertz ayant fait l'objet d'une mesure de séquestre de guerre. Catalogue des tableaux, aquarelles & dessins, par Cachoud – Cézanne – Corot – Delacroix – Derain – par ou d'après Géricault – Goetz – Grossmann –Guys – Herbin – Manguin – Pascin – Renoir – Seurat – Sisley, etc., etc., photographies & cadres, dont la vente, en vertu d'ordonnance, aura lieu à Paris, Hôtel Drouot, salle N°1, les jeudi 23 et vendredi 24 février 1922 à deux heures et demie, par le ministère des administrateurs-séquestres assistés du Président des commissaires-priseurs, adjoint-technique, et de M. Durand-Ruel, expert. Paris 1922 [Link zum Auktionskatalog]

[2] Kunst und Künstler: Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 20. Jg., Heft 9, S. 323-324 [Link]

 

 

Hier ist noch die Resonanz  dieser Auktion in der Presse und der Verbleib einzelner Werke zu ergänzen.


Richard Goetz: Pariser Straßenszene - Sonnenuntergang
um 1927, ca. 58 x 81 cm [1]

 

1926 wohnt Richard Goetz  in der 28, rue d'Odessa, einem Eckhaus zum Boulevard Edgar Quinet.[2] Dort entsteht diese Straßenszene, die eine Entsprechung in einem Gemälde Adolf Wüsters hat.

 

[1]Fund bei smallmuseum auf etsy [zuletzt besucht: 19.10.2020]

[2]AdP: Récensement de population 1926 , Arr. 14 , Montparnasse D2M8 268 [in der digitalen Ausgabe S. 419; zuletzt besucht 19.10.2020]

 

Blick vom Place Edgar Quinet in die Rue d'Odessa (nach 1906) mit geschätzter Lokalisierung der Wohnung Goetz
Blick vom Place Edgar Quinet in die Rue d'Odessa (nach 1906) mit geschätzter Lokalisierung der Wohnung Goetz

Auch Goetz und Rochlitz waren vor dem Zweiten Weltkrieg laut Rochlitz (DIR#4) miteinander eng vertraut.


Ein Courbet, den Wüster für Goetz über den Krieg rettete (?)

https://www.fold3.com/image/269947573
https://www.fold3.com/image/269947573
https://www.fold3.com/image/269947577
https://www.fold3.com/image/269947577

Am 15. Februar 1946 sucht der niederländische Capt. Jan Vlug (ALIU) Maria Gillhausen an ihrem Wohnsitz in Thalhausen auf und stellt dabei fest, dass sich in ihrem Besitz doch mehr Gemälde befinden, als sie vorher angeben hatte. Darüber hinaus stößt Vlug auch noch auf sechs Gemälde, die Wüster dort deponiert hat. Darunter das Werk "Courbet: Portrait of his sister". Offenbar wird Wüster bald danach in Bernau zur Herkunft der Kunstwerke befragt und das Ergebnis dieser Befragung handschriftlich auf der Rückseite des Dokuments vermerkt. Er gibt an, dass der Courbet Eigentum von Richard Goetz sei, der 1939 seine Wohnung am Boulevard du Montparnasse über dem Café du Dôme aufgab, um nach New York zu emigrieren und er ihn also lediglich für ihn aufbewahrt habe. Da die beiden miteinander lange befreundet waren, erscheint das plausibel. Ob es Wüster von 1939 bis 1946 möglich war, einen direkten oder indirekten Kontakt zu Goetz aufrecht zu halten, ist unbekannt. Allerdings hat Wüster von sich aus in den zwölf Monaten nach Kriegsende anscheinend auch nichts unternommen, um das Werk von sich aus wieder an Goetz zu überstellen.

https://www.fold3.com/image/295563088
https://www.fold3.com/image/295563088

Nachdem er darüber informiert worden war, dass sich das Gemälde im Central Collecting Point in München befände, wendet sich die Kanzlei Eugène L. Bondy/Norman P. S. Schloss[1]  am 11. September 1947 mit der Aufforderung dort hin, das Gemälde an die New Yorker Adresse Richard Goetz zu überstellen und mitzuteilen, welche Kosten für Transport und Versicherung aufzubringen seien und welche Belege eventuell noch benötigt würden.[2] Wie es zu interpretieren ist, dass in diesem Schreiben erwähnt wird, dass das Gemälde Adolf Wüster seinerzeit zur Aufbewahrung übergeben wurde, es dann aber von "den Deutschen" abgenommen wurde, vermag ich nicht zu sagen. Man könnte daraus aber schlussfolgern, dass der Kontakt zwischen Wüster und Goetz zwischenzeitlich abgebrochen ist.

 

Am 20.11. 1947 teilt man ihm dann aus München mit, dass der Courbet entsprechend der Vereinbarungen unter den vier Besatzungsmächten  Deutschlands zunächst an Frankreich zu restituieren sei und man sich deshalb an die Commission de Récuperation Artistique in Paris wenden solle.[3]

 

 

 

 

 

[1] Mir ist unbekannt, ob es sich dabei um Verwandte/Nachfahren des Malers Walter Bondy oder des Kunstsammlers Adolphe Schloss handelt.

[2] www.fold3.com/image/295563088

[3] www.fold3.com/image/295563086

Frick Art Reference Library b15769768 [1]
Frick Art Reference Library b15769768 [1]

Gustave Courbet: Zelie Courbet. 1841(?), Öl auf Lwd, 45 x 37 cm [1]

Mü-Nr.: 30984:

Auf der Property Card als "portrait of a woman (his sisters!)" bezeichnet.

 

Am 22.5.1946 Ankunft im CCP München. Überstellung nach Paris am 3.6.1948, danach Restitution an Goetz in New York

 

 

 

Vorbesitzer:
...
1928 im Besitz von André Joubin, Paris

 

Fragen:
Wann erwarb Goetz das Gemälde von wem? Nach 1928 von Joubin?
Wo ist das Gemälde heute?

 

 

 

 

[1] Abbildung und Angaben > Frick Art Reference Library, Record Number b15769768

 

 

 


Zur weiteren Beschäftigung mit Richard Goetz

 

  • Harris, Richard: Richard Goetz...Art Detective. In: Vogue, 01. 03. 1957 [Link]
  • Mehring, Walter: Die zwei Adressen des Richard Goetz. In Ders.: Verrufene Malerei. Von Malern, Kennern und Sammlern. Zürich 1958. S. 149-159.
  • Wedderkop, Hermann von: Richard Goetz. In: Der Querschnitt, 4.Jg., H.5, November 1924, S. 301-304 (+ diverse Abbildungen im Heft)

 

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Nina Lee fotografierte Richard Goetz 1951 für eine Life-Reportage in seiner New Yorker Wohnung. Die Fotos geben einen guten Einblick in seine Wohnverhältnisse und lassen zudem seine Persönlichkeit erahnen.