(S)ein Künstlerleben


Es ist üblich, den Lebenslauf so zu gestalten, dass er der Erwartungshaltung des Rezipienten entgegenkommt. Die Eckdaten stehen fest, aber dazwischen gibt es Spielräume. Solche, die es erlauben, Kleinigkeiten größer erscheinen zu lassen oder Unangenehmes zu verschweigen.  Jeder kennt das. Jeder macht das. So auch Adolf Wüster in diesem Lebenslauf, der anlässlich seiner letzten Ausstellung 1969  in der Galerie Interkunst/München (=AK69) erschien. (1)

 

Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass von der reinen Textmenge her den Jahren vor und um den ersten Weltkrieg herum überproportionale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Schaut man etwas genauer hin, so stellt sich rasch die Frage, wie er mit den wenigen und nicht sonderlich gewichtigen Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus, sein Leben bestreiten konnte.

 

Dank der heute zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten kommt man rasch dahinter, dass dieser Lebenslauf in wesentlichen Teilen frisiert ist. Selbstverständlich  ist es legitim, im Rahmen einer Kunstausstellung das künstlerische Schaffen in den Mittelpunkt zu stellen. Doch während er auf seine Einberufung 1915 zum Militärdienst hinweist, verschweigt er gänzlich seine Tätigkeit als Kunsthändler, -experte und -vermittler seit den frühen 1930er Jahren. Mit der Besatzung Frankreichs (1940-44) ergaben sich für ihn kaum zu überschätzende Verdienstmöglichkeiten als Verkäufer und Vermittler von Kunstwerken an die Museen entlang des Rheins. Zugleich avancierte er zum wichtigsten Einkäufer für den Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop auf dem Pariser Kunstmarkt und gelangte so an einen Posten als Kunstreferent mit der Dienstbezeichnung "Konsul" bei der Deutschen Botschaft in Paris. Dass er diese für sein Leben doch höchst bedeutsamen Fakten gänzlich unerwähnt lässt, hat mich neugierig gemacht.

 

1  Der Lebenslauf im Ausstellungskatalog Adolf Wuester : Gemälde, Aquarelle ; ein Querschnitt aus 50 Jahren ; 1. - 31. Mai 1964, Galerie Daberkow, Frankfurt/M. (=AK64) ist übrigens fast identisch. Dort wird lediglich angegeben, dass er zu diesem Zeitpunkt in München und Tutzing lebte.

 

 


Es folgen noch einige der Lebensläufe Adolf Wüsters aus der kunsthistorischen Fachliteratur