1930: Angebot für das Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld

In den reichhaltigen Beständen des Stadtarchivs Krefeld zum Kaiser-Wilhelm-Museum hat sich ein Schreiben „Adolphe Wuesters“ vom 20. Januar 1930 erhalten,[1] in dem er dem damaligen Museumsdirektor Dr. Max Creutz ein Gemälde zum Kauf anbietet: Charles F. Daubigny: Waldinneres mit Bach, 100 cm x 81 cm, „ein sehr schönes Bild ganz in grau-grünen Tönen“. Dieses Bild soll 30.000 Francs oder 5.000 Mark kosten, was nach Meinung Wüster sehr preiswert wäre.

 

Offenbar sind sich die beiden Herren schon einmal persönlich begegnet. Darauf deuten die Anrede „Lieber Herr Doctor Kreuz“ wie auch das Ende des Briefes hin, wo Wüster seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, er möge „die schöne Aussicht auf Notre Dame nicht allzu sehr vermissen.“ Lange können sie sich noch nicht kennen, wie aus  der falschen Schreibweise des Adressaten hervorgeht. Allem Anschein nach beginnt Adolf Wüster also spätestens 1930 damit, als Kunsthändler aktiv zu werden und streckt bereits da seine Fühler auch in Richtung der rheinischen Museen aus.

 



[1] Stadtarchiv Krefeld 4/4055

 


1930: Mit Courbet in's große Geschäft

Öl auf Leinwand, 60,5 x 47,5 cm, Abb. aus Der Cicerone (3); 2020: Musée Jenisch Vevey

Het Vaterland, 6. Mai 1930
Het Vaterland, 6. Mai 1930

1930 wird im Kölner Kunsthandel ein Gemälde Courbets  angeboten, das sich zu diesem Zeitpunkt im gemeinsamen Besitz der Galerie Abels und der Dom-Galerie befindet und von dort aus an einen rheinischen Sammler gelangt.(1)

 

Ursprünglich stammt dieses Gemälde aus dem 1877 im Hôtel-Drouot bei Durand-Ruel zwangsversteigertem Besitz Courbets. Da ohne Signatur, kam es dort als „Inconnu – Etude d’homme“ unter den Hammer.(2) Wohl initiiert vom Käufer des Gemäldes wird es in nachfolgenden Ausstellungen Courbet zugeschrieben und trägt fortan den Titel „Le peintre allemand“. Das jedenfalls behauptet Emil Waldmann, der 1930 im Cicerone ausführlich darlegt, dass es sich bei dem dargestellten deutschen Maler um ein Portrait Wilhelm Leibls handelt, das Courbet im Frühjahr 1870 angefertigt habe. Eine sensationelle Entdeckung, die „dem Finderglück eines deutschen, in Paris lebenden Malers“ zu verdanken ist. (3)

 

Dieser Maler ist – Adolf Wüster. Ob er es bei einer Versteigerung oder in der Ausstellung „Tableaux inconnus de Gustave Courbet“ in der Galerie Sèvres gesehen (4) hat ist noch unklar. Auf jeden Fall teilt er diesen Fund sofort dem Kölner Galeristen Ed. Arthur Schmidt/Dom-Galerie mit, der es auch sogleich zusammen mit Hermann Abels erwirbt. Bemerkenswert ist in diesem Kontext übrigens, dass wenige Monate zuvor, im November/Dezember 1929, die erste Einzelausstellung Adolf Wüsters in Deutschland in der Dom-Galerie/Köln gezeigt wurde.(5) Wie dieses zeitliche Zusammentreffen von Gemäldeerwerb und Ausstellung zu deuten ist, ist aktuell noch unklar. Möglicherweise kommt Wüster durch die Vermittlung des Gemäldes nun erstmalig auch geschäftlich mit Abels in Kontakt. Ein Kontakt, der ihm zukünftig noch weitere Vorteile einbringen wird.

 

Vom 28.9. bis zum 26. 10. 1930 präsentiert die Galerie Wertheim/Berlin in ihren Schauräumen an der Bellevuestraße unter der Schirmherrschaft des Französischen Botschafters die Ausstellung „Gustave Courbet“. Hier trägt unser Gemälde nun auch offiziell den Titel „Bildnis des Malers Leibl“. Wie schon die Courbet-Ausstellung in der Galerie Sèvres/Paris so ist auch diese Ausstellung von Charles Léger unter Mitwirkung von Alfred Gold konzipiert. Ferner wird im Vorwort des Kataloges jedoch auch den Herren Richard Goetz und Adolf Wüster für ihre tätige Mitarbeit besonders gedankt. Beide werden zudem als Leihgeber genannt.(6)

 

Spätestens jetzt ist Adolf Wüster als Experte für Courbet und die französische Kunst des 19. Jahrhunderts auch in den höheren Sphären des Kunsthandels bekannt. Zudem ist mit der sensationellen Entdeckung bzw. Umbenennung auch ein beträchtlicher Wertzuwachs verbunden, von dem sicher auch Wüster profitiert, zumal Courbet und Leibl zu jener Zeit gerade ohnehin Höchstpreise erzielen. Auch wenn er marginal weiterhin noch bei einigen Kollektivausstellungen als Kunstmaler in Erscheinung tritt, von nun an dürfte er den größten Teil seines Lebensunterhalts als Experte, Vermittler oder auch Verkäufer im Kunsthandel verdienen.

 

 

 

1 H.G. [=Hermann Ginzel]: Courbet hat Leibl gemalt. In: Die Kunstauktion, Jg. 4, Nr. 15 (13.4.1930), S. 12

 

2 Hôtel Drouot: Catalogue de tableaux, meubles et objets d'art provenant de l'atelier de Gve Courbet... Vente 26 nov. 1877... / [expert] Durand-Ruel. Paris 1877.

 

3 Waldmann, Emil: Courbets Leibl-Bildnis. In: Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers, 22. Jg.(1930), S. 149-151 (https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cicerone1930/0175/image)

 

4 Tableaux inconnus de Gustave Courbet: Galerie Sèvres, Paris, 28 juin - 12 juillet 1930

 

5 Adolf Wuester/Paris: Dom-Galerie, Köln, 24.11. – 30.12. 1928

 

6 Gustave Courbet, Galerie Wertheim, Berlin, 28.9. – 26.10. 1930; Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass sich das „Leibl-Portrait“ vorübergehend im Besitz von Adolf Wüster befindet? Mit dem Maler und Sammler Richard Goetz (1874-1954) ist Adolf Wüster schon seit seinem ersten Aufenthalt in Paris eng befreundet. - Ich danke Ute Haug und Jasper Warzecha/Kunsthalle Hamburg herzlich für die Scans des Ausstellungskatalogs.