Gustav Rochlitz (Bromberg 1889 - 1972 Füssen)

Noch ein Kunstmaler, der Kunsthändler wird [1]

 

Erste Ehe mit Lotte Boesel (1920-1929). Zweite Ehe mit Wally Hackbusch (seit 1936). Tochter: Sylvia Rochlitz (geb. 1934, französische Staatsbürgerschaft seit 1939). Schwester: „Frau Robert Fisch“ (geb. Eva Rochlitz) in Hoenow.


Gustav Rochlitz war von 1911-1914 als freischaffender Kunstmaler tätig. 1917 als Illustrator bei der deutschen Armee in Brüssel und Gent eingesetzt. 1921 begann er in Berlin, angeblich auf Anregung von Wilhelm Bode hin, mit dem Kunsthandel. 1924 Eröffnung seiner eigenen Galerie in der Friedrich-Ebert-Straße 1 in Berlin, die bis 1930 besteht. Ab 1925 den größten Teil seiner Zeit vor allem in Italien und Holland unterwegs, um dort Kunst einzukaufen. Von 1925-1928 enge Geschäftsbeziehungen zur Galerie Weder in Luzern [mir unbekannt]. Etwa ab 1926 „quasi-partnership“ mit Dr. Stoeri in Zürich und enge Verbindung zur Galerie van Diemen in Berlin. 1932 Eröffnung der Galerie Muralto in Zürich (in Kooperation mit dem Bankier Guhl). Bald darauf wird ihm eine Betätigung als Kunsthändler von den schweizer Behörden untersagt.  1933 Umzug nach Paris. [2]


Im gleichen Jahr Aufnahme der Geschäftstätigkeit (1933-1940 zusammen mit Paul Weil) in Paris und Eröffnung einer Galerie in der Cité Bergère/Montmartre. 1936 Eröffnung der Galerie in der 222, rue de Rivoli. Da 1937 sein deutscher Pass abgelaufen ist, unternimmt er danach keine Reisen mehr nach Belgien, Holland, Italien oder in die Schweiz.


In den 1930er Jahren sind nach Aussage Rochlitzs vor allem folgende Personen seine Unterstützer und engsten Freunde in Paris: Der Duc de Trevise, Dr. Haug (Museumsdirektor Straßburg), Rene Huyghe (Louvre), M. de Burry (Polizei Paris) sowie Ascher und Richard Goetz. Bis 1937 unterhält er enge Geschäftsbeziehungen zu den niederländischen Kunsthändlern de Boer, Hoogendijk und Katz.
Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bemüht er sich um die französische Staatsbügerschaft, wird aber auf Grund der deutschen Kriegserklärung ab März/April 1940 in Colombes und Bassens interniert. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen kommt er am 20. Juni 1940 wieder frei, muss jedoch wegen des laufenden Einbürgerungsverfahrens seine deutsche Staatsangehörigkeit von Monat zu Monat neu bestätigen lassen.[3]


Bald wurde er zum wichtigsten Kunsteinkäufer Görings, nicht zuletzt im unbesetzten Frankreich. Die auf seinen Geschäftsreisen erworbenen, dem Geschmack der Nazis entgegenkommenden Kunstwerke tauschte er mehrfach beim Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg gegen Werke ein, die zuvor ihren jüdischen Besitzern entzogen worden waren. Zu seinen Kunden gehörten andere Galerien, NS-Prominente und nicht zuletzt auch zahlreiche Museen. Um dem Kriegsdienst zu entgehen, ließ er sich noch im März 1944 von Hermann Voss eine Bescheinigung ausstellen, die seine umfangreiche Tätigkeit für das geplante Führermuseum in Linz lobend hervorhob. Nach kurzen militärischen Ausbildungen in Paris nutzte er ein ärztliches Attest, um sich im August 1944 nach Füssen abzusetzen. 1945 wurde er von den Amerikanern dort festgenommen und zunächst unter Hausarrest in Gipsmühle bei Füssen gestellt. Nach einer Reihe von Verhören überstellt man ihn am 17. Dezember 1945 der französischen Justiz.[4] Dort wurde er von der Commission nationale interprofessionelle und dem Cour de la Justice am 28. März 1947 zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 60.000 FF verurteilt sowie mit dem Entzug seines Vermögens bestraft. Aus dem Gefängnis in Fresnes kam er vorzeitig am 10.Juli 1948 frei, da der der Anklagepunkt des „Handels mit dem Feind“ fallen gelassen werde musste.[5]  1950 wurde er vom französischen Präsidenten begnadigt und bemühte sich anschließend, sein konfisziertes Eigentum zurückzuerlangen.[6]  Nach dem Krieg betätigte er sich weiter als Kunsthändler.


Verhältnis zu Wüster
Im Sommer 1945 wird Rochlitz über mehrere Wochen in Bad Aussee von Capt. W.A.Rembert verhört. Die Ergebnisse finden ihren Niederschlag in einer eidesstaatlichen Erklärung vom 31. Juli 1945,  in der sich Rochlitz auch über Adolf Wüster äußert. [6]
Er berichtet darin, dass er einige Monate nach der Besetzung Frankreichs seinen Handel wieder aufgenommen habe, um die durch deutsche Begehrlichkeiten hervorgerufene günstige Geschäftssituation auszunutzen. Das erste Geschäft tätigt er durch Vermittlung von Adolf Wüster mit dem Museumsdirektor Dr. Hupp aus Düsseldorf, dem er zwei holländische Gemälde verkauft. Vom Nettogewinn bekam Wüster eine Provision von 20% gezahlt. Ebenfalls durch Wüsters Vermittlung kommt er bald auch mit der Münchener Kunsthändlerin Maria Dietrich und dem Kustos des Rheinischen Landesmuseums, Dr. Franz Rademacher, in Kontakt. Ausdrücklich betont Rochlitz, dass Wüster für alle von ihm vermittelten Geschäfte sowohl vom Verkäufer wie auch vom Käufer Provisionen kassiert haben soll.[8] Ob das tatsächlich so war, muss noch genauer untersucht werden. In jedem Fall stellten die Vermittlungsaktivitäten Wüsters ein einträgliches Geschäft dar, das zudem – in der Rückbetrachtung - den Vorteil bot, nur selten in den Rechnungsunterlagen der beteiligten Kunsthändler oder Behörden aufzutauchen.

 

[1] Nachfolgendes basiert vor allem auf dem OSS/ALIU: Detailed Intelligence Report (DIR) Nr. 4 aus dem Jahr 1945 > https://www.fold3.com/image/231995954

[2] DIR4: https://www.fold3.com/image/231995966

[3] DIR4: https://www.fold3.com/image/231995978

[4] https://www.fold3.com/image/270270776

[5] Rosebrock, Tessa: Des Handels mit dem Feind beschuldigt. Akteure des Pariser Kunstmarkts vor der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration und dem Cour de la Justice du Département de la Seine. Vortrag auf der Tagung „Raub&Handel. Der französische Kunstmarkt unter deutscher Besatzung (1940–1944)“, 30.11.–1.12.2017, Bundeskunsthalle Bonn (Vortragsmanuskript)
[6] Polack, Emmanuelle: Le marché de l'art sous l'Occupation: 1940-1944. Paris 2019, S.229
[7] Sie bildete die Basis für den OSS/ALIU: Detailed Intelligence Report (DIR)Nr. 4.
[8] National Archives Collection of World War II War Crimes Records, 1933 - 1949, Record Group 238, Series: Reference Documents Received from American and Foreign Sources , 1945 - 1947, File Unit: Art Treasures, Vol 4 p.274

 


Stadtarchiv Düsseldorf 0-1-4-3782
Stadtarchiv Düsseldorf 0-1-4-3782

Schreiben Dr. Hupp/Düsseldorf  an Adolf Wüster vom 16. 10. 1941

Betrifft: Ankauf von zwei Gemälden Rasmussens bei Rochlitz

 

Eines der Schreiben, aus denen hervorgeht, dass die Erwerbungen der Stadt Düsseldorf bei Rochlitz nicht nur durch die Vermittlung Adolf Wüsters zustande kamen, sondern auch über dessen Konto liefen. Darüber hinaus war offenbar noch ein weiterer Düsseldorfer Kunsthändler (Bammann?) in die hier geschilderte Transaktion involviert. Was damit bezweckt werden sollte, ist mir noch nicht ganz klar. Der Vorschlag, Wüster könne sich doch auch in Deutschland ein Konto einrichten, ist naheliegend. Immerhin ließen sich dadurch die komplizierten und oft zeitraubenden Überweisungen nach Frankreich erheblich vereinfachen.

 


Stadtarchiv Düsseldorf 0-1-4-3829
Stadtarchiv Düsseldorf 0-1-4-3829

Schreiben von Dr. Hupp an Frau Rochlitz vom 6.10.1943,
in dem er schreibt, dass es immer schwieriger wird, Orte zu finden, an denen man "Sachen" (gemeint sind Kunstwerke) unterbringen kann.


Laut Hans Wendland stand Rochlitz in einer "lebhaften Geschäftsbeziehung" zu Richard Goetz.