Die Rhineland-Gang und die Schenker-Papers Part I

Schenker Papers, Part 1, 05.04.1945 > NARA > https://www.fold3.com/image/270270820 ff.

Unmittelbar nach der Befreiung Frankreichs von der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft stößt in Paris ein Angehöriger der Monument Men (and Women)[1], der Kunstexperte Douglas Cooper,[2] auf Unterlagen des international agierenden Transportunternehmens Schenker. Eine Firma mit besten Verbindungen zur Deutschen Botschaft, die nicht nur beschlagnahmtes Kunst- und Kulturgut zwischenlagert und verpackt, sondern auch „heim in’s Reich“ transportiert. Cooper erkennt sofort die Bedeutung dieser Unterlagen und beginnt mit ihrer Auswertung. Die Rechnungen und Transportunterlagen aus dem Zeitraum Januar 1941 bis Juli 1942 belegen die Erwerbungen deutscher Museen in Frankreich und nennen die Namen der Verkäufer sowie deren Verkaufspreise. Schon am 5. April 1945, etwa ein Monat vor Kriegsende, legt er eine erste Liste vor: die „Schenker Papers Part I“.[3] Eine unschätzbare Grundlage für die Suche der Monument Men nach Kunstwerken in deutschen Museen, die auf Basis der Londoner Erklärung von 1943 in ihre Herkunftsländer zurückzuführen waren.

 

So knapp das Vorwort zu dieser Liste ist, so deutlich macht es, wie beeindruckt Cooper von den eingesetzten Summen und der Menge der Kunstwerke ist, die die Museumsdirektoren in einem Zeitraum von nur 18 Monaten in Frankreich zusammengekauft haben. Allen voran das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld mit einer Investition von 11.253.000 Francs für den Ausbau seiner Sammlung, gefolgt vom Essener Folkwang-Museum mit 6.895.550 Francs, den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf mit 3.466.575 Francs und 160.000 RM, dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn mit 5.450.000 Francs sowie Wuppertal mit Ausgaben in Höhe von 992.000 Francs. Insgesamt betragen die Ausgaben der genannten Museen zwischen Januar 1941 und Juli 1942 umgerechnet bei dem damaligen Wechselkurs von 1:20 also mindestens 1,5 Millionen Reichsmark. [4] Und wohlgemerkt: das sind nur die, die mit der Firma Schenker transportiert wurden. Hinzuzurechnen sind die, die auf anderen Wegen in die Museen gelangten, etwa mit anderen Transportunternehmen oder mittels persönlicher Mitnahmen im Handgepäck der Händler und Museumsmitarbeiter.

 

Offenbar sind es vor allem die rheinischen Museen, die die Transportfirma Schenker bevorzugen. Die Menge der abtransportierten Kunstgüter erklärt sich jedoch so: Aus seinen Nachforschungen zu Dr. Hermann Bunjes, der als Kriegsverwaltungsrat beim Kunstschutz und Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte als wichtiger Mittelsmann fungierte,[5] ist Cooper bereits bekannt, dass vor allem drei Herren auf dem Pariser Kunstmarkt besonders eifrig nach Kunstwerken für das Rheinische Landesmuseum und andere Museen des Rheinlands suchten. Es handelt sich dabei um Dr. Hanns Joachim Apffelstaedt, den Kulturdezernenten der Rheinischen Provinzialverwaltung, Dr. Franz Rademacher, Kustos am Landesmuseum in Bonn sowie den Düsseldorfer Kunsthändler Hans Bammann. Meist gemeinsam begaben sie sich in den ersten Jahren der deutschen Besatzung Frankreichs gerne und oft nach Paris, um dort auf der Basis eines ausgesprochen günstigen Wechselkurses und auch mit Unterstützung Adolf Wüsters umfangreiche Kunsterwerbungen zu tätigen.[6] Es ist daher naheliegend, sie in die Nähe krimineller Banden zu rücken und sie als „Rhineland-Gang“ zu bezeichnen, so wie Douglas Cooper das in der Einleitung zu den „Schenker Papers Part I“ tut.[7]

 

Ich gebe diese Papers hier wieder, weil es a) etwas mühsam ist, sie etwa in Fold3 oder den Digitalisaten der National Archives in Kew zu finden[8] und b) um auch visuell den Umfang der Neuerwerbungen rheinischer Museen während des Zweiten Weltkrieges deutlich zu machen. Zum anderen auch, um schon an dieser Stelle auf Namen bekannter Kunsthändler hinzuweisen, die Ihnen auf dieser Website (in Zukunft) noch oft begegnen werden.  Obwohl Adolf Wüster, wie ich noch zeigen werde, in zahlreiche der hier dokumentierten Geschäfte eingebunden war, taucht er nur einziges Mal als Verkäufer in dieser Liste auf. Bei einem Verkauf an das Folkwang-Museum. Was das zu bedeuten hat, werde ich im Laufe meiner Arbeit noch darstellen.

 

Kleine Randbemerkung zum Schluss: Douglas Cooper, der ja auch Kunsthändler und Sammler war,  und Adolf Wüster kannten sich übrigens bereits aus Vorkriegszeiten gut.  [9] Auch dazu an anderer Stelle mehr.

 



[1] Offizielle Bezeichnung der Einheit: Royal Air Force Intelligence, British Element, Monuments, Fine Arts, and Archives (MFAA).

[2] Bradsher, Greg: A British Art Historian and Collector Monuments Man: Douglas Cooper

February 6, 2014, posted in Monuments Men >

[3] https://www.fold3.com/image/270270820

[4] Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeitnehmers beträgt zu dieser Zeit etwa 2.300 RM.

[5] https://www.fold3.com/image/270225246

[6] Anschaulich und detailliert schildert Bettina Bouresh (1990) diese Einkaufstouren.

[7] Zu dem rheinischen Netzwerk, das weit über die drei Herren hinausreicht, empfehle ich den Aufsatz von Nikola Doll 2002 .

[8] National Archives Kew : FO 1046/763/3

[9] https://www.fold3.com/image/270141381