Literatur:

Barth, Sophia: Maria Almas-Dietrich. Bachelorarbeit, Sommersemester 2014.Gutachter: Fuhrmeister, Christian. München 2014. Zum Download: https://epub.ub.uni-muenchen.de/41206/8/Barth_Sophia_Maria%20Almas-Dietrich.pdf

 

Nadine Bauer hat an der TU Berlin eine Dissertation zur Münchner Galerie Almas verfasst, die allem Anschein nach aber noch nicht veröffentlicht ist.


Eduard Grützner: Zwei Ritter beim Trunk oder Die Suche nach der Wahrheit

MNR 950 © Réunion des musées nationaux Grand Palais
MNR 950 © Réunion des musées nationaux Grand Palais

 

Am 15. Oktober 1945 trifft im Central Collecting Point in München ein Gemälde mit der deutlich sichtbaren Signatur Eduard Grützners ein. Ohne Rahmen, mit leichten Abschürfungen. Es stammt aus dem Bergwerk Altaussee und gehört zu den Kunstwerken, die für das „Führermuseum“ in Linz vorgesehen waren. Man gibt ihm den provisorischen Titel „2 Ritter beim Trunk“ und die Eingangsnummer 9441.[1]


Besondere Aufmerksamkeit hat man diesem Gemälde offenbar nicht gewidmet. Denn unschwer sind neben dem Ritter ein Mönch, das bevorzugte Motiv Grützners,  sowie ein Hund zu erkennen. Doch auch auf der kurze Zeit später angelegten „Property Card“ finden wir keine detailliertere Beschreibung des Gemäldes. Im Gegenteil: Nun trägt es den lapidaren Titel „Drinker`s scene“. In den nachfolgenden Jahren scheinen die Mitarbeiter des CCP zunächst keine neuen Erkenntnisse zur Herkunft des Gemäldes gewonnen zu haben.


Nachdem am 31. August 1948 die Amerikaner die Aufgabe der Treuhänderschaft, Pflege, Kontrolle und Unterhaltspflicht für die Gegenstände und Unterlagen, die sich im CCP München befinden, an den Bayerischen Ministerpräsidenten abgegeben haben, wird es am 10. Juni 1949 offiziell in dessen Bestand eingegliedert. Allerdings unter der Maßgabe, die Recherchen zur Herkunft der Objekte weiter fortzusetzen und sie gegebenenfalls an ihre rechtmäßigen Eigentümer zu restituieren.[2] Im Falle des Grützner tut sich weiterhin nichts.

https://www.fold3.com/image/312538701
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Erst als S. Lane Faison 1951 seine neue Stelle als leitender Vertreter der amerikanischen Behörden beim CCP antritt, kommt Bewegung in’s Spiel.[3] Am 6. März wird Adolf Wüster einbestellt, um sich zur Herkunft des Gemäldes zu äußern. Er weiß von nichts. Die Recherchen werden fortgesetzt und er wird am 24.04.1951 erneut befragt. Er wiederholt seine Aussage, bestätigt nun aber mit Unterschrift, dass der Ankauf „in Paris über die Deutsche Botschaft“ erfolgt sei. Faison notiert handschriftlich auf der Karteikarte, dass man das gemeinsam mit Rose Valland checken sollte. Am 10. Mai schickt er ihr einen Brief mit der Frage, ob sie dazu weitere Informationen hätte und eventuell einen Claim anmelden möchte. Und weiter: „Or shall we leave Grützner to the Germans?” Denn grundsätzlich gäbe es ja auch die Möglichkeit, dass das Gemälde von einem in Paris lebenden Deutschen angekauft worden sein könnte. Daraufhin reicht der „Service de Remise en Place des Oeuvres d’Art“, mit Sitz in Baden-Baden, am 16. Mai den „Meritorious-claim N° 23.508-F“ für dieses Gemälde beim CCP in München ein.[4]

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Kleiner Exkurs: Das oben erwähnte Schreiben vom 10. Mai ist übrigens das erste, das in den mir bekannten Papieren zu diesem Vorgang Maria Dietrich als Händlerin erwähnt. [5] Irgendwie müssen im Laufe der Jahre zumindest in Bezug auf diesen Fall, die Unterlagen Maria Dietrichs in Vergessenheit geraten sein. Denn bereits 1945 waren die „Dietrich papers“ im Besitz der Alliierten. Inklusive der Rechnungsbücher. Um in etwa abschätzen zu können, welche Gewinne Maria Dietrich erzielt hatte, legte man diese Bücher damals Bruno Lohse vor, der angeben sollte, zu welchen Preisen diese Gemälde für das Linzer Museum erworben worden waren. In der von Lohse erstellten Liste ist dieser Grützner mit der von Dietrich verwendeten Rechnungsnummer 0383 enthalten. Er gibt an, dass das Bild für 20.000 RM angekauft worden sei und Dietrich folglich 7.500 RM Gewinn damit gemacht habe. Ja, es wird dort sogar angemerkt, dass das Gemälde von Wüster an Dietrich verkauft worden sei. [6]

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https://www.fold3.com/image/114/270041452
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Zurück ins Jahr 1951. Am 19. Juni teilt Dr. Heydenreich vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte S. Lane Faison dann mit, dass sich unter den gerade im Institut eingetroffenen Unterlagen Maria Dietrichs auch die Originalrechnung Wüsters für das Gemälde befände. Er solle deshalb noch einmal einbestellt werden, um zu klären, ob es sich dabei um Wüsters Eigentum oder das eines anderen in Paris lebenden Deutschen, Flüchtlinge ausgenommen, gehandelt hätte. Denn dann würde es sich ja um deutsches Eigentum handeln, das nicht zu restituieren wäre. [7] In einem Schreiben Faisons vom 13. Juli 1951 fordert dieser Rose Valland auf, die Herkunft nun endgültig zu klären und setzt ihr dazu eine Frist von zehn Tagen. Am 20. Juli legt Valland (?) Wüster die Rechnung vor.[8] Dabei widerruft er eine Aussage, die er zu einem mir nicht bekannten Zeitpunkt vorher gemacht hatte. Da hatte er offensichtlich behauptet, er habe das Gemälde von einem Schweden in der Avenue Matignon erworben. Von wem er es tatsächlich erworben hat, sagt er nicht. Nun scheint der Fall klar. Das Bild ist an Frankreich zu restituieren.[9] Am 3. August 1951 verlässt es das Depot in München und wird nach Frankreich transportiert.[10]

 

o.D. [Sommer 1951] https://www.fold3.com/image/312538718
o.D. [Sommer 1951] https://www.fold3.com/image/312538718

Als MNR 950 befindet sich das Gemälde Grützners heute im Musée d’Orsay. Es trägt dort nun den Titel „Richard Löwenherz und der Einsiedler“. Bis heute ist ungeklärt, von wem Wüster das Gemälde erwarb.

 

P.S.: 2018 versteigerte das Auktionshaus Neumeister eine Studie Grützners zu diesem Gemälde. Ich stieß mehr durch Zufall darauf. Denn nachdem die Städtische Kunsthalle Mannheim es 1883 ebenfalls mit dem Titel „Richard Löwenherz und der Einsiedler“ angekauft hatte, trug es bei der Auktion nun den etwas roh wirkenden Titel „Krieger und Mönch mit Hund im Weinkeller“. Provenienz: Städtische Kunsthalle Mannheim (1883). - Galerie Wolfgang Ketterer, Stuttgart (1954). - Weinmüller, München, Auktion 154, 19./20. Juni 1974, Kat.-Nr. 924 (mit Abb.) [11]

 

 

 

 

[1] Arrival Card des CCP in BArch B323/618

 

[2] Property Card in BArch B 323/663 – Einen Überblick über die verschiedenen Stadien des CCP liefert das Deutsche Historische Museum in seiner Einleitung zur Datenbank des CCP > https://www.dhm.de/datenbank/ccp/prj_dhm_ccp/ccp_einleitung_de.pdf [21 Seiten]

 

[3] Es ist praktisch unmöglich die Angaben auf den drei mir vorliegenden Property Cards zeitlich zuzuordnen, da offensichtlich immer wieder Informationen nachgetragen wurden. Nachfolgendes entnehme ich daher der Karteikarte, die als einzige überhaupt Datierungen aufweist. Als letztes Datum, den 20.7.1951. Es handelt sich dabei um die Property Card aus den National Archives > https://www.fold3.com/image/312538701

 

[4] https://www.fold3.com/image/269954470

 

[5] https://www.fold3.com/image/270049517

 

[6] https://www.fold3.com/image/114/270040326

 

[7] https://www.fold3.com/image/231976075

 

[8] auch  BArchB 323/75, f. 127

 

[9] https://www.fold3.com/image/312538718

 

[10] wie [2]; vgl. die abweichenden Angaben im Datensatz zu MNR 950 > https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/MNR00950

 

[11] Neumeister Auktion 382, Kat.-Nr. 385 ALTE KUNST am 5. Dezember 2018, https://www.neumeister.com/kunstwerksuche/kunstdatenbank/ergebnis/385-210/Eduard%2Bvon-Gr%25C3%25BCtzner/

 



Maria Dietrich erwarb über oder direkt von Adolf Wüster zahlreiche Gemälde. Einige davon sind u.a in der sogenannten "Französischen Almas-Liste" zu finden.[1] Diese sind in der Reihenfolge der Rechnungsnummern Dietrichs nachfolgend aufgelistete Werke.

 

[1] BArch: B 323/436, f. 63 ff; Einträge zu Wüster: f 65, 66, 70

Nr.

Werk

Datum

Preis

Bemerkungen

 091

Meister der weibl. Halbfiguren: [kein Titel]

 12.3.1941

 167.500 FF

 

090

Pittoni: 2 Bilder mytholog.

4.3.1941

4.750 RM

in der Liste ist Wüster nicht genannt; s.a. MNR 668 + 789

0173

Grützner:[ohne Titel]

15.5.1941

6.700 RM

 

0174

Kauffmann

15.5.1941

800 RM

 

0195

[ohne Autor] 2 Pendants Blumenstilleben

21.5.1941

14.000 FF, 700 RM

nicht in dieser Liste aufgeführt (?), Angaben nach Rechnung in BArch B323/75, f. 127

0383

Ed. Grützner: [ohne Titel]

21.4.1942

12.500 RM

f75v: "Wüster's Aussage: durch die deutsche Botschaft erworben (23.4.51)