"Entartet" - Das vorläufige Ende seiner Karriere als Künstler

Adolf Wüster gilt meist als Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Einer Kunstrichtung, die als Reaktion auf den Expressionismus gesehen werden kann und deren Anfang und Ende im Wesentlichen mit der Zeit der Weimarer Republik zusammenfällt. Wie bei allen neu entstehenden Stilrichtungen, so wird auch diese nicht selten kritisch bewertet oder als Übergang zu einer neuen Form der Kunst, „die zwar gegenständlich bleibt, dabei aber den ganzen sinnlichen Reiz hat, der von jeher wichtigste Eigenschaft aller Malerei gewesen ist.“ Luise Straus-Ernst, von der dieses Zitat stammt, hebt in ihrer Besprechung der Ausstellung des deutschen Künstlerbundes 1928 Richard Seewald, George Grosz, Emil Rudolf Weiss und auch Adolf Wüster als bereits bekannte Erscheinungen dieser neuen Richtung hervor.(1) Auch Adolf Wüster selbst lehnt den Begriff der „Neuen Sachlichkeit“  ab. Im Vorwort zum Katalog seiner ebenfalls 1928 stattfindenden Ausstellung in der Dom-Galerie/Köln schreibt er: „Man macht zur Zeit in „Neue Sachlichkeit“: Sachlichkeit hat es immer gegeben (Sie war zwar nie ein besonders starkes Argument des Künstlers) aber „Neue“ Sachlichkeit gibt es nicht.“ (2)

 

Ob es diese Richtung nun gibt oder nicht, sie widerspricht den künstlerischen Idealen nationalsozialistischer Kunst- und Kulturbeauftragter. In seinem Lebenslauf behauptet Adolf Wüster, er habe 1932 letztmalig Werke in der Barmer Ruhmeshalle präsentieren können. (3) Auch nach 1933 veranstaltet der Barmer Kunstverein dort noch zahlreiche Ausstellungen moderner Künstler. Die letzte ist eine des Malers Christian Rohlfs im Jahr 1937.

 

 Am 30. Juni des selben Jahres erlässt Goebbels ein Dekret, das Adolf Ziegler, dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste und einem fünfköpfigen Ausschuss die Befugnis gibt, herausragende deutsche Kunstmuseen aufzusuchen, um dort missliebige Kunstwerke auszuwählen. Einige von ihnen sind zunächst für die Wanderausstellung „Entartete Kunst“ bestimmt. Diese und andere sollen nachfolgend im internationalen Kunsthandel verkauft werden, um an Devisen zu gelangen oder werden gegen Werke eingetauscht, die dem Geschmack der Nazis eher entgegenkommen. Eine Vielzahl wird direkt an Ort und Stelle vernichtet.

 

Mädchen vom Montmartre, 1927, 92 x 73 cm; zerstört (4a)
Mädchen vom Montmartre, 1927, 92 x 73 cm; zerstört (4a)

Und da sind wir wieder bei Adolf Wüster. Dem abschließend angefertigten NS-Beschlagnahmeinventar ist zu entnehmen, dass sein Gemälde „Mädchen vom Montmarte“ im Rahmen dieser Aktion vernichtet wurde.(4) In seinem Lebenslauf ist davon nicht die Rede. Wohl aber davon, dass 1932 aus Mangel an Ausstellungsmöglichkeiten alle dort im Depot zwischengelagerten Werke bei einem Bombenangriff 1943,(5) verbrannt seien. Allem Anschein waren also nicht alle Werke Adolf Wüsters den Beschlagnahmeaktionen im Juli 1937 zum Opfer gefallen. Und tatsächlich gibt es Berichte, die besagen, dass das Hausmeisterehepaar nach der ersten Beschlagnahmeaktion 52 Gemälde und zahlreiche Grafiken im Keller der Ruhmeshalle versteckt habe, um sie vor einem erneuten Zugriff der „Ziegler-Bande“ zu schützen. Möglicherweise befanden sich darunter auch Werke Wüsters. Das allerdings wird nicht mehr zu klären sein, da bei diesem Brand auch alle Akten des Barmer Kunstvereins zerstört wurden.(6)


Spätestens 1937, wahrscheinlich aber schon ab etwa 1933, musste Adolf Wüster also klar sein, dass er als Maler in Deutschland vorerst keine guten Erfolgsaussichten mehr haben würde. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum er sich ab Beginn der 1930er Jahre nach und nach umorientierte und begann, in zunehmendem Maße als Kunstexperte und Kunsthändler tätig zu werden.


1 Straus-Ernst, Luise: Die Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Köln. In: Die Kunst für Alle 44 (1928/29), S. 376 – 383. Straus-Ernst war übrigens Mitarbeiterin des Wallraf-Richartz-Museums und die erste Ehefrau von Max Ernst. Aus einer jüdischen Familie stammend wurde sie 1944 in Auschwitz ermordet.
2 Adolf Wuester, Paris. Dom-Galerie, Köln am Rhein, 24.11. -30.12. 1928
3 Dabei kann es sich nur um die Beteiligung an einer Kollektivausstellung gehandelt haben, denn eine Einzelausstellung ist dort nicht nachweisbar. Weitere Informationen zum Barmer Kunstverein im Nationalsozialismus sowie zur Rolle Victor Dirksens, dem Direktor des Elberfelder Museums, der sich weitgehend vom Betrieb der Ruhmeshalle zurückgezogen hatte finden sich in Becks-Malorny, Ulrike: Der Kunstverein in Barmen 1866 – 1946. Bürgerliches Mäzenatentum zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Wuppertal 1992, S. 85 – 112
4  a)Datenbank der FU-Berlin zum Beschlagnahmeinventar „Entartete Kunst“: Eintrag zu Adolf Wüster und b)„Harry-Fischer-Liste“, Bd. 2, Wuppertal-Barmen, Nr. 81
5 Gemeint ist der Luftangriff in der Nacht vom 29. Auf den 30. Mai 1943.
6 Becks-Malorny wie Anm. 3, S.97